Toiletten und trans Sportler*innen

Henry Hohmann ist Transaktivist und setzt sich seit über 10 Jahren für die Rechte von trans Menschen ein. Von 2012 bis 2018 war er Präsident bzw. Co-Präsident von Transgender Network Switzerland.

Ja klar, die richtigen Toiletten sind für viele trans Personen sehr wichtig. Und natürlich ist auch der Spitzensport für einige trans Personen essentiell. Aber geht es bei dem Thema nicht um viel mehr? Doch ich bekomme immer mehr den Eindruck, dass sich ein Grossteil der gesellschaftlichen Debatte hierauf konzentriert und damit eine Diskussion um die wirklichen Probleme von trans Menschen gar nicht stattfindet. So wird das Thema politisch kleingehalten und auf geschlechtsneutrale Toiletten oder für beziehungsweise gegen die Teilnahme an Wettkämpfen reduziert.

 

Und dahinter scheint Kalkül zu stecken. Das zeigt die schon seit einiger Zeit in der Schweiz befeuerte und teils giftig geführte Debatte vorwiegend rechter Medien, die sich an diesen Spezialthemen, aber auch mit sorgenvollen Diskussionen um einen «Transgender-Hype» bei Jugendlichen aufheizt. Und das führt schnell zu einer Übersättigung, die nach dem Motto «Haben wir denn sonst keine Probleme?» kleingehalten wird, andererseits aber wird, wenn man sich argumentativ wehrt, sofort mit populistischen Begriffen wie cancel culture oder der «mächtigen Trans-Lobby» zurückgeschlagen.

 

Schlimm ist jedoch, dass sich diese Schieflage im Umgang mit trans Menschen nicht allein auf rechte Populist*innen beschränkt, sondern auch von einigen Feminist*innen oder gar in der lesbisch-schwulen Community geführt wird. Dass manche Menschen trans Personen als Bedrohung sehen und nicht den wachsenden Konservatismus, das ist das Problem.

 

Dabei gäbe es durchaus Themen, die Frauen und trans Menschen vereinen, etwa der Kampf um die körperliche Selbstbestimmung, der sich im Recht auf Abtreibung wie auch dem Recht auf körperliche Integrität manifestiert. Genau deshalb wäre es wichtig, an einem Strang zu ziehen, anstatt sich gegeneinander ausspielen zu lassen. Denn könnte es nicht sein, dass genau das das Ziel jener konservativen Gegenströmungen ist: Teile und herrsche? Wenn man Gruppen mit gemeinsamen Anliegen in möglichst kleine Einheiten zersplittert, verlieren sie ihren Zusammenhalt und letztlich ihre Macht. Voilà, Ziel erreicht: Weg mit dem Feminismus, weg mit Geschlechtervielfalt und der individuellen Freiheit einer jeden Person. Zurück zu einem traditionellen, heterosexuellen Familien- und Geschlechterbild. Genau dem müssen wir entschieden entgegentreten. Vereint, stark und klar.

 

Ach so, und was sind jetzt eigentlich die wahren Probleme von trans Menschen? Hier nur eine kurze und keineswegs abschliessende Aufzählung: Höhere Armut, Zurückweisung durch Familie und Umfeld, Mobbing in der Schule, Diskriminierung am Arbeitsplatz, Hass auf der Strasse, schlechtere physische wie psychische Gesundheit sowie eine hohe Suizidalität. Und hier hat es auch Schnittmengen mit vielen weiteren marginalisierten Gruppen. Es fehlen Präventionsmassnahmen, gut finanzierte Beratungsstellen, ein Gesundheitswesen, das unterstützt und nicht massregelt, Begleitpersonen und Therapeut*innen. Hier muss angesetzt werden, nicht (nur) bei den Toiletten!