Ehe für alle: Hand aufs Herz, wirst du heiraten?

Es ist eine Frage, die vielen von uns früher oder später gestellt wird im laufenden Abstimmungskampf. Mit der kommenden Abstimmung vom 26. September 2021 über die Ehe für alle hat sie jedoch wenig zu tun. Im Gegenteil, es ist zu früh für die Frage «Wirst du heiraten?». Denn heute stellt sich für gleichgeschlechtliche Paare nicht die Frage des «wollen», es stellt sich noch immer die grundsätzliche Frage des «können»...

Es ist eine Frage, die vielen von uns früher oder später gestellt wird im laufenden Abstimmungskampf. Mit der kommenden Abstimmung vom 26. September 2021 über die Ehe für alle hat sie jedoch wenig zu tun. Im Gegenteil, es ist zu früh für die Frage «Wirst du heiraten?». Denn heute stellt sich für gleichgeschlechtliche Paare nicht die Frage des «wollen», es stellt sich noch immer die grundsätzliche Frage des «können». 

Die Abstimmung über die Ehe für alle bewirkt ausserdem noch viel mehr als die Öffnung der Ehe für Männer- und Frauenpaare. Es ist ein historischer Schritt für die Gleichstellung und Akzeptanz von lesbisch, schwulen und bisexuellen Menschen! 

Beginnen wir mit der Akzeptanz, denn die Einführung der Ehe für alle dient nicht nur all denjenigen gleichgeschlechtlichen Paaren, welche heiraten möchten. Sie hat auch darüber hinaus eine wichtige Signalwirkung für die ganze Gesellschaft, die Arbeitswelt und insbesondere auch für junge Menschen. In Ländern, in denen die Ehe für alle eingeführt wurde, nahmen die Vorurteile queeren Menschen gegenüber ab. Dies bestätigen mehrere Studien in Ländern wie Dänemark, Schweden und den USA. Zudem zeigen die Daten aus diesen Studien, dass die Einführung der Ehe für alle die Akzeptanz von homo- und bisexuellen Menschen in der Gesellschaft signifikant fördert,
wohingegen Spezialkonstrukte wie die eingetragene Partnerschaft sogar zu einer gewissen Stigmatisierung führen. Und nicht zuletzt wirkt sich die Ehe für alle positiv auf die psychische Gesundheit von homo- und bisexuellen Menschen aus, welche gerade aufgrund von erlebter oder befürchteter Ablehnung und Diskriminierung deutlich schlechter ist: Mehrere Studien aus der Schweiz zeigen, dass gerade bei jungen homo- und bisexuellen Menschen die Suizidgefahr bis zu fünfmal höher ist als bei heterosexuellen Jugendlichen. Dies kann unter anderem auf die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz, die stärkere Diskriminierung und die fehlende rechtliche Gleichstellung zurückgeführt werden. Eine Studie aus den USA zeigte, dass mit der Einführung der Ehe für alle die Suizidversuchsrate von Jugendlichen sank.

Auch am Arbeitsplatz ist die sexuelle Orientierung immer wieder ein Thema. Aus der Kaffee-Pause kenne wir alle die Frage «Willst du einmal heiraten»? Es ist meistens eine nett gemeinte Frage, die jedoch bereits zu einem Zwangsouting führen kann. Denn die damit geschuldete Erklärung, dass heute erst die eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare möglich ist, kann bereits ein ungewolltes Outing sein. Diskriminierung findet dort statt, wo die Leute ihre Zeit verbringen und deshalb sehr oft auch am Arbeitsplatz. LGBTQ+ Menschen sind davon besonders betroffen: Hänseleien, obszöne
Bemerkungen und soziale Ausgrenzung sind im Beruf an der Tagesordnung. Doch manchmal geht die Diskriminierung auch darüber hinaus und gipfelt gar in der Verweigerung einer Anstellung oder Kündigungen. Das Zwangsouting, welches zusammen mit der eingetragenen Partnerschaft einhergeht,
verstärkt in gewissen Fällen eben diese Diskriminierung am Arbeitsplatz. Die Ehe für alle ist deshalb nicht nur ein wichtiges Signal an die Gesellschaft, es ist auch eine Botschaft an die Arbeitgebenden, dass LGBTQ+ Menschen endlich Gleichberechtigung erfahren in der Schweiz. Zudem stärkt die Ehe für alle die Gleichberechtigung und das Selbstverständnis von LGBTQ+ Menschen in der Arbeitswelt. Dies führt zu mehr Offenheit und Inklusion, was wiederum das
Klima am Arbeitsplatz und damit auch die Arbeitszufriedenheit steigert. Und das dient sowohl uns Arbeitnehmenden wie auch den Arbeitgebenden!
Ausserdem erhöht die Ehe für alle, bedingt durch das offenere Arbeitsklima, die Sichtbarkeit von LGBTQ+ Menschen in der Arbeitswelt. Diese Sichtbarkeit, und zwar auf allen Hierarchiestufen, schafft Vorbild- und Ansprechpersonen für lesbische, schwule und bisexuelle Menschen. Diese Sichtbarkeit wird allerdings nur dann nachhaltig gestärkt, wenn es nicht zu einem Zwangsouting kommt, sondern wenn es den LGBTQ+ Menschen freisteht zu entscheiden, wann sie sich wem gegenüber outen wollen. Diese Entscheidungsfreiheit
erreichen wir mit der Einführung der Ehe für alle!

Es zeigt sich also auf allen Ebenen: Es ist höchste Zeit für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare! Damit das Realität wird, braucht es nicht nur die JA-Stimmen der LGBTQ+ Community. Es braucht die JA-Stimmen von allen stimmberechtigten Personen in der Schweiz! Ernst Ostertag hat dies im
laufenden Abstimmungskampf auf den Punkt gebracht: «Es geht um gleiche Rechte für alle Bürger:innen unseres Landes. So steht es in unserer
Verfassung. Wir müssen die bisherige Ungleichheit beseitigen. Das ist kein Anliegen einer Minderheit. Es ist die Aufgabe jeder Schweizerin und jedes Schweizers.»

Engagiert euch deshalb jetzt im Abstimmungskampf für die Ehe für alle, überzeugt euer ganzes Umfeld von einem JA zur Ehe für alle und vergesst nicht, am 26. September 2021 auch wirklich euer JA in die Urne zu legen!

Text: Jan Müller, Vorstandsmitglied Pink Cross und Vorstandsmitglied Kampagnenverein «Ehe für alle»