Was es weltweit zu feiern gab
Keine Frage, es war kein leichtes Jahr – weder für die Allgemeinheit noch für die LGBTI-Community. Doch zwischen all den Krisen und Hiobsbotschaften gab es auch viele Hoffnungsschimmer...
Keine Frage, es war kein leichtes Jahr – weder für die Allgemeinheit noch für die LGBTI-Community. Doch zwischen all den Krisen und Hiobsbotschaften gab es auch viele Hoffnungsschimmer und positive Entwicklungen. Hier ein kurzer Abriss über Dinge, die es weltweit zu feiern gaben.
- Unter dem Motto «Our Stories, Our Voices, Our Pride» organisierte vom 14.–16. August eine Koalition von Aktivist*innen die «Pride Afrique», die erste pan-afrikanische Pride. Der Event fand online statt. Während drei Tagen wurden Beiträge und Performances zu Themen wie intergenerationale Beziehungen, queere Elternschaft oder interreligiösen queeren Revolutionen gestreamt. Das Ziel der «Pride Afrique» sei, so Kehinde Bademosi, einer der Veranstalter, die LGBTIQA Communities und ihre Verbündeten zu informieren und zu inspirieren: «Dieser Event ist für all jene queeren Afrikaner*innen, die glauben, dass sie sich nie selbstverwirklichen können, weil sie so sind, wie sie sind.» Darüber hinaus gehe es auch darum, dem Kontinent und dem Rest der Welt zu zeigen, dass verschiedene sexuelle und geschlechtliche Identitäten sehr wohl Teil Afrikas und dessen Geschichte sind. «Die globalen Medien werden mit Bildern eines komplett homophoben und hoffnungslosen Afrikas überflutet», so David Nnanna Ikpo, ein weiterer Veranstalter. «Wenn die Medien uns überhaupt porträtieren, dann nur nach einem Hollywood-Skript, das ein staubiges, verarmtes, hungriges Afrika zeigt, in dem queere Männer gelyncht werden. Queere Frauen, Kinder, Angestellte, Heiler*innen, Künstler*innen, Eltern werden unsichtbar gemacht.» Dem will die «Pride Afrique» andere, vielfältige, ermächtigende Geschichten entgegensetzen.
- Vor allem in Subsahara-Afrika ist derzeit politisch einiges in Bewegung. Bereits im Sommer vor einem Jahr hat Botswana Homosexualität entkriminalisiert. Anlass dafür war die Klage eines Studenten vor dem High Court von Botswana gegen Artikel 164, der für gleichgeschlechtlichen Sex Gefängnisstrafen von bis zu sieben Jahren vorsah. Das Gericht gab ihm recht. Zwar legte die Regierung gegen das Urteil Berufung ein, war damit jedoch erfolglos. Zwei Jahre später entschied das Gericht einstimmig, den Artikel abzuschaffen. In einem offiziellen Statement begründete ein Richter den Entscheid damit, dass sexuelle Orientierung keine Modeerscheinung sei, sondern ein wichtiger Bestandteil der Persönlichkeit eines Menschen. Homosexualität war in Botswana seit 1965 verboten. Das Verbot wurde von der britischen Kolonialregierung eingeführt. Bis heute ist Homosexualität in über 40 ehemaligen britischen Kolonien kriminalisiert.
- Gabun legalisierte Homosexualität im Juni dieses Jahres. Im Gegensatz zu Botswana war gleichgeschlechtlicher Sex jedoch nur sehr kurz, nämlich seit 2019 verboten. Gabun war bis 1960 französisch besetzt. Da Homosexualität in Frankreich bereits ab dem 18. Jahrhundert legal war, war sie auch in französischen Kolonien war Homosexualität meistens nicht kriminalisiert.
- Weiterhin illegal ist Analsex – sowohl zwischen Männern als auch zwischen Hetero-Paaren – im Sudan. Allerdings schaffte das Land im Juni die Todesstrafe (bei dreimaliger Verurteilung) und die Auspeitschung (bei zweimaliger Verurteilung) ab und ersetzte sie durch Gefängnisstrafen. Die sudanesische LGBTIQ+ Organisation Bedayaa sieht dies als wichtigen Schritt. Diese Gesetzesänderung ist Teil von grösseren politischen Umwälzungen im Sudan. Die Übergangsregierung, die seit dem Sturz von Omar Al-Baschir vor einem Jahr regiert, treibt eine Reihe von Reformen voran. So soll unter anderem auch die Abwendung vom Islam nicht mehr bestraft und das Alkoholverbot gelockert werden.
- Gute Neuigkeiten gibt es auch auf der anderen Seite des Atlantiks: In Brasilien hat das Supreme Court im May das Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben, aufgehoben.
- Im Mai Costa Rica als erstes Land in Zentralamerika die Ehe für alle eingeführt. Die Einführung war letztes Jahr vom Supreme Court Costa Ricas beschlossen worden – nach erheblichem Widerstand und einer turbulenten Debatte im Parlament, die schliesslich darin gipfelte, dass sich zwei Abgeordnete körperlich angriffen. Damit folgte das Gericht damit einem Entscheid des Inter-American Court of Human Rights von 2018, das eigentlich bindend für alle zwanzig Staaten der Region ist. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.
- Während wir uns aus Zentraleuropa punkto LGBTI-Rechte derzeit eher negative Schlagzeilen gewohnt sind, gibt es weiter östlich und südlich einige positive Entwicklungen. Der albanische Berufsverband der Psychologen hat im Mai Konversationstherapien offiziell verboten. Homosexualität ist in Albanien seit 1995 legal. Seit 2010 schützt ein Gesetz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität (letzteres ist noch immer eine Seltenheit in der EU). Dieses Gesetz wurde im Zuge der Beitrittsverhandlungen mit der EU eingeführt, geht aber über das, was die EU verlangt, hinaus. 2013 – also sieben Jahre vor der Schweiz – führte Albanien ein Gesetzt ein, das Hassverbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität mit jenen aufgrund von Ethnizität, Geschlecht, Religion oder Behinderung gleichstellt. Zudem verbietet das Gesetz die Verbreitung von homophoben Inhalten – offline und online. 2016 wurde ein nationaler Aktionsplan entwickelt, der Mobbing und Diskriminierung von LGBTI Personen in Primar- und Sekundarschulen bekämpfen soll. Während die Gesetzeslage in Albanien für LGBTI Personen sehr fortschrittlich ist, ist jedoch die Einstellung der Gesellschaft laut Umfragen einer der negativsten in Europa.
- Im Nachbarland Montenegro verabschiedete das Parlament Anfang Juli mit grosser Mehrheit ein Gesetz, das registriere Partnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare ermöglichen soll – allerdings vorerst ohne Zugang zu Adoption. Montenegro ist das erste Land des West-Balkans, das ein solches Gesetz einführt. Auch hier spielten die laufenden EU Beitrittsverhandlungen eine Rolle. Die EU verlangt zwar nur ein Diskriminierungsschutz und kein Partnerschaftsgesetz, ein solches wird aber als wichtiges Signal gesehen. So verkündete Präsident Duško Markovic auf Twitter stolz, «Gleichheit und gleiche Rechte für alle sind die Grundpfeiler menschlicher und europäischer Werte. […] In einem europäischen Montenegro gibt es keinen Raum für Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung.»
Text: Laura Eigenmann, Vorstand LOS und Doktorandin in
Gender Studies an der Universität Basel