Eine Entlassung mit Folgen

Die Entlassung des schwulen Lehrers in Pfäffikon ZH hat uns erschüttert. Doch der Fall hat auch Türen geöffnet und Möglichkeiten geschaffen, damit mehr queere Sichtbarkeit an Schulen Realität wird.

Ein Coming-Out am Arbeitsplatz verläuft heute in vielen Unternehmen glücklicherweise problemlos. Häufig bestehen sogar Netzwerke von queeren Mitarbeitenden, die sich regelmässig treffen, sich austauschen und sich für mehr queere Sichtbarkeit im eigenen Unternehmen einsetzen. Doch in einer Branche gibt es bisher kaum queere Sichtbarkeit: Bei Lehrpersonen. 

 

Wenn ich in den letzten Jahren mit queeren Lehrpersonen sprach, merkte ich: Viele haben Hemmungen vor einem Coming-Out in der Schule und befürchten negative Reaktionen von Schüler*innen und Eltern. Nicht unberechtigt, wie der Fall in Pfäffikon ZH in diesem Frühling zeigte: Fundi-Eltern haben derart Druck auf einen schwulen Lehrer ausgeübt, dass die Schulleitung ihn entliess. Der Stein des Anstosses war sein Sexualkundeunterricht, doch dazu später mehr. Der Vorfall hat hohe Wellen geschlagen und wurde breit in den Medien und der Gesellschaft diskutiert – natürlich auch von Lehrpersonen, die selbst schwul, lesbisch oder trans sind. Viele stellten sich Fragen wie: Könnte das auch in meiner Gemeinde passieren? Wie würde ich reagieren? Würde mich meine Schulleitung schützen? – Aber auch: Soll ich mich jetzt erst recht outen? Und wie kann ich mich für mehr queere Sichtbarkeit an meiner Schule einsetzen?

 

Um diese Fragen gemeinsam zu diskutieren, organisierten wir Ende Juni im Rahmen unseres Schulprojekts Lehrplan Q und in Zusammenarbeit mit dem Lehrer*innenverband Schweiz (LCH) einen offenen Diskussionsabend. Innert kürzester Zeit meldeten sich über 80 queere Lehrpersonen an und wir mussten in einen grösseren Raum zügeln. Mit einem thematischen Einstieg von Anna Rosenwasser war die Stimmung rasch aufgelockert und in den anschliessenden Diskussionen hatten all’ diese Fragen einen Platz. So wurde rege diskutiert, Erfahrungen geteilt und Good Practices ausgetauscht – und im anschliessenden Apéro noch mehr Motivation und Selbstbewusstsein getankt, um die Schulen queerer zu machen. Dieses Engagement von queeren Lehrpersonen ist enorm wichtig: Sie sind die wichtigsten Vorbilder für die queeren Schüler*innen, die in jeder einzelnen Schulklasse sitzen!

 

Doch neben dem persönlichen Engagement brauchen wir auch strukturelle Veränderungen, damit die Situation an allen Schulen besser wird. Ein wichtiger Baustein dafür ist der Sexualkundeunterricht – der ja auch Auslöser in Pfäffikon ZH war. Anders als in der Romandie, ist in der Deutschschweiz der Sexualkundeunterricht meist vollständig in der Verantwortung der Klassenlehrperson. Jedoch werden sie kaum dafür aus- und weitergebildet und queere Schüler*innen müssen «Glück» haben, bei einer Klassenlehrperson zu sein, die auch zu queeren Lebensrealitäten aufklärt. Und Lehrpersonen laufen offensichtlich Gefahr, in den Fokus von fundamentalistischen Eltern zu geraten. Das muss sich ändern – und so haben wir in Zusammenarbeit mit lokalen Parlamentarier*innen in neun Kantonen politische Vorstösse zum Sexualkundeunterricht eingereicht. Wir wollen von den Regierungsrät*innen wissen, wie in ihrem Kanton ein umfassender und professioneller Sexualkundeunterricht sichergestellt wird, der auch LGBTIQ-Themen umfasst – trotz Druckversuchen von Fundi-Eltern. Zudem fragen wir, wie queere Lehrpersonen geschützt und unterstützt werden und, wie sich der Regierungsrat gegen die Diskriminierung von LGBTIQ-Personen engagiert.

 

Mit diesen Antworten können wir die weitere Strategie in den einzelnen Kantonen bestimmen – mit einem klaren Ziel: Die Schulen sollen zu einem sicheren und akzeptierenden Ort für alle queeren Schüler*innen und Lehrpersonen werden!

 

Mehr zu unseren Aktivitäten im Bereich Schule und dem Projekt Lehrplan Q
findest du hier:
LehrplanQ.ch

 

Text: Roman Heggli