Ehe für alle: Ist nun alles gut?

Kinder und Süssigkeiten – das ist so eine Sache! Wenn mich mein Sohn mit Hundeblick ansieht und ganz treuherzig fragt, ob ich mit ihm ein Schoggistängeli teilen wolle, dann kann ich ihm diesen uneigennützigen Wunsch unmöglich abschlagen. Gleichzeitig denke ich innerlich, wie smart der Kleine doch ist und vergesse dabei, welchen Spiessrutenlauf mit den schweizerischen Behörden wir hinter uns haben… 

Ein Erfahrungsbericht eines Väterpaares

Kinder und Süssigkeiten – das ist so eine Sache! Wenn mich mein Sohn mit Hundeblick ansieht und ganz treuherzig fragt, ob ich mit ihm ein Schoggistängeli teilen wolle, dann kann ich ihm diesen uneigennützigen Wunsch unmöglich abschlagen. Gleichzeitig denke ich innerlich, wie smart der Kleine doch ist und vergesse dabei, welchen Spiessrutenlauf mit den schweizerischen Behörden wir hinter uns haben… 

Mein Mann und ich sind seit 14 Jahren ein Paar und vor drei Jahren haben wir unseren Kinderwunsch mit Hilfe einer Leihmutter und einer Eizellenspenderin in den USA in die Tat umgesetzt. Die Schwangerschaft und der Weg davor war für uns eine Berg- und Talfahrt. Unzählige juristische, biologische und logistische Hürden gab es zu meistern, dazu kommen grosse Emotionen bei jeder noch so kleinen Entscheidung. Meine Mutter hat mir mal erzählt, dass wohl keines ihrer Enkelkinder so bewusst willkommen geheissen wurde, wie das von uns. Und damit hatte sie vollkommen recht. Wenn zwei Männer ein Kind bekommen, dann kann es kein Unfall gewesen sein. So hatten wir vieles schon vor der Schwangerschaft besprochen, uns mit einem Säuglingspflegekurs vorbereitet, unsere Leben organisiert und zuhause ein geborgenes Umfeld geschaffen, damit unser kleiner Spross wohlbehütet sein Leben starten kann. In den USA haben wir durchwegs Zuspruch und geregelte Rechtsverfahren erlebt, die involvierten Stellen gingen mit der notwendigen ethischen und rechtlichen Professionalität vor und die Rechte aller Beteiligten wurden stets gewahrt. So wie man sich das in einem demokratischen Rechtsstaat vorstellt. 

Ganz anders in unserem Heimatland, der Schweiz! Seit wir eine Familie sind, erleben wir die Diskriminierung am eigenen Leib. Zum Beispiel können Versicherungsfragen nicht befriedigend gelöst werden. Das Schweizer Bürgerrecht wurde nur mit grossen Schikanen gewährt. Die Elternberatung wurde durch die Gemeinde nicht informiert. Nur zwei Tage Vaterschaftsurlaub. Keine Lohnfortzahlung für den betreuenden Elternteil (er musste vor der Geburt kündigen). Die Kinderzulagen wurden erst nach 8 Monaten ausbezahlt. Keine finanzielle Absicherung (Waisenrente, Erbrecht, BVG), falls dem nichtgenetischen Elternteil etwas zustösst. Keine Möglichkeit des nichtgenetischen Elternteils, «sein» Kind gegenüber Arzt,
Behörden etc. zu vertreten. Latente Sorge, dass die KESB sich meldet und dem Kind einen Beistand aufzwingen will, usw. 

Weil in der Schweiz Leihmutterschaft und Eizellenspende per Bundesverfassung verboten sind, tun sich die Behörden und Gerichte mit Kindern aus dieser Konstellation unglaublich schwer. Man muss wissen, dass die Schweiz zwar entsprechende fortpflanzungsmedizinische Verfahren in der Schweiz verbieten kann, jedoch gilt dieses Verbot nicht für das Ausland. Schliesslich werde ich in der Schweiz auch nicht bestraft, wenn ich im Ausland mit dem Auto (legal) schneller als 120 km/h fahren darf. Die USA ist zwar ein Rechtsstaat, jedoch wird gemäss Internationalem Privatrecht eine im Ausland ergangene Entscheidung in der Schweiz nicht anerkannt, wenn die Anerkennung mit dem schweizerischen Ordre public offensichtlich unvereinbar wäre. Der «Ordre public» kann mit den allgemeinen Wertvorstellungen einer Gesellschaft übersetzt werden, so wird zum Beispiel bei uns die im Ausland mögliche Ehe mit Minderjährigen nicht akzeptiert. Aufgrund des Ordre public hat das Bundesgericht im Jahr 2015 entschieden, dass ein durch Leihmutterschaft geborenes Kind in der Schweiz nicht zwei gleichgeschlechtliche Eltern haben darf (ausser man geht den Umweg über die Stiefkindadoption). Offenbar hat das
Bundesgericht somit interpretiert, dass in der Schweizerischen Gesellschaft das Verbot der Leihmutterschaft höher gewichtet wird, als das Kindeswohl und das Recht, ab Geburt zwei Elternteile zu haben. Aufgrund dieses Vorgehens wurde unser Kind mit der Einreise in die Schweiz Halbwaise, obwohl in seiner amerikanischen Geburtsurkunde zwei Elternteile (nämlich mein Mann und ich) vermerkt sind. Die Schweiz akzeptiert nur den genetischen Vater und trägt in einem ersten Schritt die Leihmutter als Mutter ein. Dann wird das Kindesverhältnis zur Leihmutter gelöscht, jedoch hat das Kind dann nur noch einen Vater und ist somit schlechter gestellt als alle Kinder aus einer Hetero-Konstellation (und neu auch aus einer Konstellation Frau-Frau, solange die Samenspende in der Schweiz stattgefunden hat). Es geht der Schweiz offensichtlich darum, unsere Kinder in das Schweizer System zu «pressen» und auf keinen Fall die Leihmutterschaft als legitime Form der Familiengründung zu akzeptieren. Dies ist für uns eine grosse Schikane und wir fragen uns, wem damit gedient ist. Wie dies mit dem Kindeswohl vereinbar sein soll, können wir nicht verstehen. Denn Kinder aus Leihmutterschaften und Eizellspenden gibt es ohnehin (übrigens ist die Dunkelziffer bei Heteros viel höher als bei Schwulen).
Natürlich darf und soll man die Leihmutterschaft differenziert betrachten, je nach dem, wo und unter welchen Umständen diese stattgefunden hat. 

 

 

Nach rund 16 Monaten wurde dann mit der Stiefkindadoption unsere Odyssee beendet. Die Behörden verlangten unzählige persönliche Informationen über uns und es hat uns fast den Anschein gemacht, dass wir uns für unser Kind «bewerben» mussten. Nach zwei Besuchen einer netten Sozialarbeiterin, welche dann einen Bericht über uns verfasste, bekamen wir schliesslich die Adoptionsurkunde. Endlich waren wir beide vollwertige Eltern unseres Kindes, obwohl wir uns nie als etwas
anderes gefühlt haben. Wir empfanden dieses Verfahren als ungeeignet für uns, denn einerseits mussten wir 12 Monate abwarten («Pflegezeit»), bis wir das Gesuch überhaupt stellen konnten, andererseits wurden wir durchleuchtet und schliesslich mussten wir etwa 20mal so hohe Gebühren zahlen wie ein nicht verheirateter
Hetero-Vater, der sein Kind mit einem Federstrich beim Zivilstandsamt vorgeburtlich anerkennen kann. 

Eigentlich schwebt man während der Schwangerschaft und nach der Geburt auf Wolke Sieben und man ist einfach überglücklich. Das war auch bei uns so. Jedoch hatten wir stets zu kämpfen mit den erwähnten Diskriminierungen und wir waren der Willkür der überforderten Schweizer Behörden ausgesetzt. Umso mehr gönne ich mir und meinem Sohn heute das erbettelte Schoggistängeli, und noch vielmehr diese einmaligen gemeinsamen Momente. 

Text: Anonymer Autor

 

Hier findest du das gesamte Pink Mail 04-2021 als PDF.