Ein historischer Entscheid: Die Ehe für alle wurde verabschiedet

Der 18. Dezember war ein historischer Tag: Nach sieben langen Jahren des Wartens hat das Parlament die Ehe für alle verabschiedet! Ein bedeutender Entscheid für die Liebe und Gleichstellung, der ohne unsere jahrzehntelange Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Wir sind glücklich und erleichtert, aber zugleich auch ernüchtert: Denn die verabschiedete Vorlage bedeutet keine vollständige Gleichstellung...

Der 18. Dezember war ein historischer Tag: Nach sieben langen Jahren des Wartens hat das Parlament die Ehe für alle verabschiedet! Ein bedeutender Entscheid für die Liebe und Gleichstellung, der ohne unsere jahrzehntelange Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Wir sind glücklich und erleichtert, aber zugleich auch ernüchtert: Denn die verabschiedete Vorlage bedeutet keine vollständige Gleichstellung. 

Am letzten Tag der Wintersession von National- und Ständerat war es endlich soweit: Die Ehe für alle wurde in der Schlussabstimmung nach sieben Jahren des parlamentarischen Prozesses verabschiedet! In dieser Zeit hatten wir immer wieder mit Herausforderungen und Rückschlägen zu kämpfen, zum Beispiel wenn das Geschäft mal wieder verschoben oder hinausgezögert wurde. Oder als mit einem dubiosen «Rechtsgutachten» unsere Gegner*innen buchstäblich in letzter Sekunde versuchten, die knappe Mehrheit im Ständerrat zu kippen. 

Wir haben uns von all dem natürlich nicht entmutigen lassen und um jede Stimme gekämpft, was vor allem im Ständerrat bis zum Schluss nötig war: Zehntausende Stunden für Telefonate, Sitzungen und Lobbying haben wir investiert, um das zu erreichen, was für viele Menschen in der Schweiz schon lange als selbstverständlich gilt. Für Regenbogenfamilien und gleichgeschlechtliche Paare bedeutet es, nicht nur der Gleichstellung einen elementaren Schritt näher zu kommen, sondern es ist auch ein Sieg für unsere Würde, Akzeptanz und Inklusion in der Gesellschaft. 

Keine vollständige Gleichstellung 
Trotz der Euphorie und Freude dürfen wir aber nicht vergessen, dass die vom Parlament verabschiedete Vorlage keine vollständige Gleichstellung bedeutet: Regenbogenfamilien und Frauenpaare haben nicht dieselben Rechte wie ein Heteropaar. Bei einer traditionellen Ehe wird der Ehemann der Mutter automatisch als Vater des Kindes anerkannt, unabhängig davon, wie das Kind gezeugt wurde. Bei Frauenpaaren werden mit der verabschiedeten Vorlage hingegen nur beide Frauen ab Geburt als Mütter anerkannt, wenn das Kind mittels einer professionellen Samenspende in der Schweiz gezeugt wurde. Deshalb werden die Familien, welche mit einer Samenspende aus dem Ausland oder mit einer privaten Samenspende gegründet werden, weiterhin nicht gleichwertig rechtlich abgesichert: Die Co-Mutter muss dann das gemeinsame Kind als Stiefkind adoptieren und ist somit erst zwei bis drei Jahre nach der Geburt des Kindes die rechtliche Mutter.

Im Ständerat fehlten uns leider für die Beseitigung dieser Ungleichbehandlung die politischen Mehrheiten, doch wir setzen uns entschieden für schnellst mögliche Revisionen zur Aufhebung dieses Umstandes ein! Alle Kinder in Regenbogenfamilien müssen auch vollständig geschützt und abgesichert werden. 

Eine Abstimmung ist wahrscheinlich
Die Vorlage für die Ehe für alle ist noch nicht in trockenen Tüchern, denn mit der Verabschiedung durch das Parlament beginnt nun auch die Referendumsfrist. Unsere Konservativen Gegner*innen hatten längst ein Referendum angedroht, wenn das Parlament eine entsprechende Vorlage verabschieden würde. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass die Stimmbevölkerung zur Ehe für alle das letzte Wort sprechen wird. Wenn das Referendum zustande kommt, wäre die Abstimmung über die Ehe für alle im Herbst 2021 zu erwarten. 

Wir blicken optimistisch in Richtung einer allfälligen Abstimmung, denn die Schweiz ist bereit für die Ehe für alle! Das hat zuletzt die aktuellste Umfrage von gfs-zürich, die von Pink Cross in Auftrag gegeben wurde, bestätigt: Demnach befürworten 82% der Stimmbürger*innen die Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare. Auch die Zustimmung zum Adoptionsrecht (72%, +5% zum Vorjahr) und dem Zugang zu Samenspenden für Frauenpaare (70%, +4% zum Vorjahr) hat in Vergleich zum Vorjahr zugenommen und befindest sich auf stabilem Höchstniveau. 

Die Zeit bis zur wahrscheinlichen Abstimmung läuft und deshalb haben wir innerhalb des „Komitees Ehe für alle“ mit den Vorbereitungen für eine mögliche Abstimmungskampagne begonnen. Das «Komitee Ehe für alle» leitet und koordiniert die nationale Kampagne mit einer breiten Trägerschaft. Folgende nationale LGBT-Verbände sind dabei: Fédération romande des associations LGBTIQ, Lesbenorganisation Schweiz LOS, Dachverband Regenbogenfamilien, Network, Wybernet und Pink Cross. In den letzten Monaten wurde im Komitee eine grosse Arbeit geleistet! Zuletzt hat das „Komitee Ehe für alle“ mit mehreren Aktionen auf sich aufmerksam gemacht und wir waren natürlich mit dabei (mehr bildreiches Material dazu ist auf der nächsten Seite zu finden). 

Weiterer Verlauf 
Wir blicken jetzt gespannt in Richtung unserer Gegner*innen: Werden sie es schaffen, innerhalb der nächsten 100 Tagen die benötigten 50‘000 Unterschriften zu sammeln? Wir sind davon überzeugt, dass wir aus einer Abstimmung zur Ehe für alle nur gestärkt hervortreten können. Auf der Seite ehefueralle.ch kannst du dich anmelden, um bei der Kampagne mitzumachen und auf dem Laufenden gehalten zu werden. Unser grösster Triumph sind wir als Community und gemeinsam schaffen wir das!

Die Version und das Ziel von Pink Cross ist, dass alle LGBTIQ-Menschen gesetzlich gleichgestellt und gesellschaftlich akzeptiert sind. Die Ehe für alle wird ein wichtiges Stück dazu beitragen. Die junge Generation wird in einer Schweiz aufwachsen, in der die Anerkennung von LGBTIQ-Personen als selbstverständlicher gilt: Der Aufbruch in eine offene und inklusive Gesellschaft mit noch mehr Queerness!

Text: Manolito Steffen, Community Manager Pink Cross