Ehe für alle: Gutachten zur Frage der künstlichen Befruchtung

Im Juli 2018 hatte die Rechtskommission des Nationalrates entschieden, die Ehe für alle im Rahmen einer sogenannten “Kernvorlage” umzusetzen. Dabei wurde auch entschieden, Frauenpaare nicht zum Verfahren der künstlichen Befruchtung zuzulassen, da es dafür eine Verfassungsänderung bräuchte. Die nationalen LGBTIQ-Verbände...

Im Juli 2018 hatte die Rechtskommission des Nationalrates entschieden, die Ehe für alle im Rahmen einer sogenannten "Kernvorlage" umzusetzen. Dabei wurde auch entschieden, Frauenpaare nicht zum Verfahren der künstlichen Befruchtung zuzulassen, da es dafür eine Verfassungsänderung bräuchte. Die nationalen LGBTIQ-Verbände haben sich deshalb zusammengeschlossen und ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das diese Frage erörterte und zu einem klaren Schluss kam.

Denn ob es für den Zugang zur künstlichen Befruchtung tatsächlich eine Verfassungsänderung braucht, ist in der Rechtslehre höchst umstritten. Laut Verfassung dürfen nur Paare, die unfruchtbar sind, sich künstlich befruchten lassen – doch was bedeutet unfruchtbar? Mit dieser Frage hat sich das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Andreas R. Ziegler befasst, das klar aufzeigt: Auch gleichgeschlechtliche Paare gelten als unfruchtbar, wie es die Verfassung beschreibt. Es ist denn auch nicht nachvollziehbar, weshalb es eine Verfassungsänderung brauchen soll und nicht einfach auf Gesetzesebene geregelt werden kann. Zusätzlich wäre die Nichtzulassung der Frauenpaare zur künstlichen Befruchtung eine rechtliche Ungleichbehandlung, was eine höher gewertete Verfassungsbestimmung tangiert. Weiter dient der Verfassungsartikel bei der künstlichen Befruchtung zur Missbrauchsbekämpfung: Es sollen also schlicht keine Designerbabys erzeugt werden können. Darum geht es selbstredend bei Frauenpaaren nicht. Es geht lediglich darum, einen legitimen und natürlichen Kinderwunsch erfüllen zu können und die gleichen Rechte wie alle anderen Paare zu haben.

Durch das Rechtsgutachten war es den nationalen LGBTIQ-Organisationen möglich, fast die Mehrheit der Rechtskommission zu überzeugen, dass der Zugang zur künstlichen Befruchtung für Frauenpaare auch durch eine einfache Gesetzesrevision ermöglicht werden kann. So wurde beschlossen, dass eine Variante mit Zugang zur künstlichen Befruchtung ebenfalls in die öffentliche Vernehmlassung geschickt wird. Die Vernehmlassung wird demnächst starten. Das bedeutet, die Kantone, Parteien und diverse Organisationen können Stellung beziehen zum vorläufigen Gesetzesentwurf. Wir werden diesen Prozess eng begleiten und uns dafür einsetzen, dass die Variante mit Zugang zur künstlichen Befruchtung eine klare Mehrheit finden wird. 

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