Nationalrat befasst sich nicht mit dem Schutz von schwulen, lesbischen und bisexuellen Minderjährigen

Der Nationalrat hat gestern Abend eine Motion zum Verbot von sogenannten "Konversionstherapien" für Minderjährige abgeschrieben, da er erneut die zweijährige Frist verstreichen liess, um die Motion zu behandeln...

Der Nationalrat hat gestern Abend eine Motion zum Verbot von sogenannten "Konversionstherapien" für Minderjährige abgeschrieben, da er erneut die zweijährige Frist verstreichen liess, um die Motion zu behandeln. Von sog. "Konversionstherapien", die schweres Leid verursachen und die bei den Betroffenen langfristige psychische und physische Folgen verursachen können, sollen in der Schweiz mehr als 14’000 Menschen betroffen sein. Rund die Hälfte davon ist minderjährig.

Pink Cross und LOS, die Organisationen der schwulen, lesbischen und bisexuellen Personen, sind ernüchtert: "Zu den psychischen und physischen Schäden, die die "Konversionstherapien" bei den Betroffenen verursacht, gehören ein erheblicher Verlust des Selbstwertgefühls, Angst, Depression, soziale Isolation, Beziehungsprobleme, Selbsthass, Scham, Schuldgefühle, sexuelle Funktionsstörungen, Selbstmordgedanken und -versuche sowie Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung. Dass der Nationalrat hier nicht endlich handelt, ist völlig unverständlich", sagt Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross.

Auch Martin Landolt (die Mitte), der für die Motion verantwortliche Nationalrat, ist ungeduldig: "Die Schweiz hat die Pflicht, das Kindeswohl zu schützen und solche Grausamkeiten zu verbieten. Minderjährige haben das Recht, von den Erwachsenen in ihrem Umfeld Schutz und eine wohlwollende Haltung zu erwarten, nicht eine Infragestellung ihrer Identität.”

Die Parlamente der Kantone Genf und Basel-Stadt haben den Handlungsbedarf bereits erkannt und einen Gesetzestext verabschiedet (GE) bzw. sind dabei, diesen zu erarbeiten (BS). Anderswo in Europa und auf der Welt sind die Regierungen ehrgeiziger als in der Schweiz: Malta und Österreich haben sich für ein Verbot von "Konversionstherapien" entschieden, während ähnliche Pläne in Frankreich, Spanien, Norwegen, Belgien und Großbritannien im Gange sind. In seinem Beschluss vom 1. März 2018 hat das Europäische Parlament zudem die Mitgliedstaaten nachdrücklich aufgefordert, diese Praktiken zu verbieten.

Das Verbot sogenannter Konversionstherapien ist dringend notwendig, wenn die Schweiz den Schutz von Minderjährigen und deren Wohlbefinden als zukünftige Erwachsene gewährleisten will. Da die Politik jedoch weiterhin untätig bleibt, werden LOS und Pink Cross die Situation analysieren müssen. Gleichzeitig erwarten sie vom Bundesrat, dass er seinen Worten Taten folgen lässt (siehe Antwort auf die Motion) und mit den aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen konsequent gegen solche "Therapeut*innen" vorgeht. Dazu gehören wirksame Sanktionen, wie z. B. ein Verbot für Psycholog*innen, Therapeut*innen, Seelsorger*innen usw., die "Konversionstherapien" durchführen.
 

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